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Die Glaubenspflanzerin

Pfadfinderin, Küsterin, Religionspädagogin, Bibel-Gärtnerin: Elisabeth Kessels aus der Pfarrei Sankt Peter und Paul in Wiesbaden hat viele Interessen und Talente, die sie in ihrer Kirche einbringt. Im Bibelgarten ihrer Kirche teilt sie das Wissen über biblische Pflanzen und wird auch mal spontan zur Seelsorgerin.

Ein sonniger Junitag in Wiesbaden-Schierstein: Rund um die Kirche Sankt Peter und Paul grünt und blüht es, das Summen geschäftiger Insekten liegt in der Luft. Auf der Südseite strecken einige Reihen Weinreben ihre zarten grünen Blätter Richtung Sonne, „Weinberg des Herrn“ steht auf einem Schild. Neben dem Kirchportal sitzt gemütlich auf einer Bank Elisabeth Kessels.

„Kommen Sie gleich mit in den Bibelgarten, ich habe uns einen Tee aus frisch gepflückter Minze gekocht“, begrüßt sie herzlich ihren Besuch, als würde sie zum Teekränzchen in ihren eigenen Garten einladen. Vorbei geht es an duftenden Rosenbüschen („Die Rose kommt an vielen Stellen der Bibel vor!“), einem stattlichen Maulbeerbaum („Probieren Sie mal, diese Früchte sind köstlich!“) sowie Pfingstrosen und Mönchspfeffer. Zu letzteren Pflanzen meint Kessels trocken: „In diesem Bereich haben wir Pflanzen gesetzt, die zwar nicht in der Bibel vorkommen, aber ziemlich fromme Namen haben.“ Überhaupt hat die 78-Jährige einen trockenen Humor. Ihr Engagement für ihre Pfarrgemeinde, das spürt man schnell, würde sie gewiss auch mit der Arbeit im Garten vergleichen: Immer was zu tun!

Morgens um acht Uhr schließen sie oder ihr Ehemann Wolfgang die Kirche auf, um 18 Uhr wieder zu. Nicht selten schaue jemand herein, auf dessen Weg Sankt Peter und Paul liege, und Elisabeth Kessels könnte den Gedanken nicht ertragen, das derjenige dann vor verschlossenen Türen steht. Nächstes Jahr sind es 40 Jahre, dass die beiden den Küsterdienst versehen. Als sie 1968 nach Schierstein zog, hätte Elisabeth Kessels wohl nicht geglaubt, dass sie dort einmal einen Bibelgarten mit anlegen würde. Vieles von dem, was hier wächst und gedeiht, geht auf ihre Initiative zurück. Nicht nur was die Pflanzen angeht, sondern auch im übertragenen Sinn. Denn kaum jemand kennt die Pfarrkirche und das Gelände drumherum so gut wie sie.

„Eigentlich bin ich im Garten Autodidaktin“, sagt Elisabeth Kessels. „Aber ich habe es schon als Kind geliebt, mit meiner Familie im Garten zu arbeiten. Kartoffeln ausmachen, Karotten direkt aus dem Beet essen, das fand ich toll.“ Was 2013 als Projekt begann, ist heute ein großer, die Kirche umrahmender Bibelgarten, der nicht mehr wegzudenken ist. „Oft kommen Leute vorbei, wenn sie sehen, dass ich grade im Garten arbeite. Da kommt man ins Gespräch. Das ist ganz ungezwungen und es ist schön, dass die Menschen Vertrauen haben.“ Seelsorge im Grünen. Glaube, Hoffnung und Liebe heißen die Bereiche des Gartens, in denen sich unter anderem ein Außenaltar, ein Meditationslabyrinth, der Weinberg und ein Kinderbeet mit Nutzpflanzen der Bibel befinden. Senf und Linsen zum Beispiel. Kessels bietet Führungen und Workshops für Kommunionkinder, Firmgruppen und Schulklassen an. Die sieben Bäume Israels wie etwa Feigenbaum und Judasbaum wurden von Gemeindemitgliedern gestiftet. Dem Ehepaar Kessels und ihrem Team aus rund zehn Ehrenamtlichen gehen die Ideen nicht aus.

Aufgewachsen ist Elisabeth Kessels als Ältestes von vier Kindern in Aulhausen. Der Vater war Bäckermeister in der Behinderteneinrichtung Vincenzstift. 1968 kam Kessels frisch verheiratet nach Schierstein. „Die Kirche war mir gleich sympathisch. Sie war fast fertig gebaut, als wir herzogen. Und mich hat beeindruckt, dass sie eine der ersten neugebauten Kirchen war, die in der Innengestaltung die Konzepte des Konzils aufgenommen haben.“ Überhaupt, das Konzil: Die Küsterin erinnert sich noch gut, wie sie zur Eröffnung der zweiten Konzilsperiode 1963 nach Rom reiste. „Das war ein Aha-Erlebnis für mich- sehr ergreifend. Diese mächtigen, großen Kirchen, die vielen Kardinäle und Bischöfe. Bei so dabei zu sein, das war eine wichtige Glaubenserfahrung.“ Eigentlich ist Elisabeth Kessels Vermessungs-technikerin von Beruf, doch das machte sie nicht lange glücklich. Mit 29 Jahren entschied sie sich, auf dem zweiten Bildungsweg in Würzburg Theologie im Fernkurs zu studieren. Zunächst gemeinsam mit ihrem Mann. Der dann jedoch ausschied, um ihr den Rücken freizuhalten, wie sie sagt. Denn Elisabeth Kessels war schwanger mit dem dritten Kind. Noch während der Ausbildung gründete sie in ihrer Pfarrei den Pfadfinderstamm Thomas Morus. Nach dem Studium hätte sie eigentlich Gemeindereferentin werden sollen. Während des Studiums hatte sich jedoch ein anderer Weg aufgetan. Stundenweise gab sie Religionsunterricht und spürte, das lag ihr. Und so leitete Elisabeth Kessels bis zu ihrer Rente Fortbildungen für Religionslehrkräfte und pastorale Mitarbeiter am Religionspädagogischen Amt in Wiesbaden. Wenn sie nicht in ihrer Freizeit mit Begeisterung Pfadfinderin war. „Ich habe dort gelernt, dass die Stärkere die Schwächere beschützen und stärken muss, dass die Natur nicht unbeschränkt Ressourcen hat und wir sorgsam mit ihr umgehen müssen“, sagt Kessels. 1999, da war sie „nur“ ehrenamtliche Küsterin und noch nicht Bibelgärtnerin, übernahm sie für fünf Jahre den Posten der Bundeskuratin der Pfadfinderinnenschaft Sankt Georg (PSG). Inzwischen liegt ihr Hauptaugenmerk jedoch auf der Pfarrei und dem Bibelgarten. Gesät, gepflegt und geerntet hat Elisabeth Kessels – nicht nur dort – in ihrem Leben viel. „Diese Gemeinde ist meine Heimat“, sagt sie. Was, glaubt sie, kann die Kirche sich von einer guten Gärtnerin abschauen? „Ein Gärtnerin hat eine gute Bodenhaftung“, sagt Kessels schmunzelnd. „Sie bereitet den Boden für den Samen, lässt wachsen und lässt die nötige Zeit dazu und reißt nicht alles gleich aus, was nicht erfolgversprechend aussieht.“ Manchmal treibe etwas Verloren geglaubtes neu aus. „Kirche sollte den Kontakt zu den Menschen nicht verlieren, schauen was Wachstum fördert und nicht als erstes Strukturen verordnen.“