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Die Kapelle im Gartenhaus

Nach einem anstrengenden Arbeitstag, wenn alle Tiere, Schweine und Enten versorgt sind, setzt sich Peter Gruszczynski gerne in seine Gartenhauskapelle, hört die Stille und kommt mit Gott ins Gespräch. Der Landwirt hat gegenüber vom Stall für sich und seine Frau Kläre einen Ort der Ruhe und Besinnung geschaffen. Ein Holzhaus, ein Erbstück seiner Mutter, hat Gruszczynski aus dem kleinen Ort Lörzweiler in Rheinland-Pfalz mit Altar, Kerzen, Stühlen, Kruzifix und Heiligenfiguren eingerichtet, eine private Kapelle, um sich zu besinnen. Beim Betreten könnte es nach Weihrauch riechen und keiner wunderte sich. Die Ausstattung ist eine Sammlung Glaubenszeugnisse der Familie. Der 74-Jährige und seine Frau haben es in normalen Zeiten genossen, sonntags im Mainzer Dom die Frühmesse zu besuchen, die Musik und eine gute Predigt zu hören. „Da konnte ich immer einfach mal abschalten nach der vielen Arbeit auf dem Hof“, erzählt er. Das Ehepaar traf sich vor dem Gottesdienst immer mit Freunden. „Ein bisschen zusammen babbeln gehörte auch dazu“, sagt er. Als Corona kam, war plötzlich Schluss mit der seelenheilenden Routine. Nach einigen Wochen starteten die Gottesdienste zwar wieder, aber Gruszczynski mag es nicht, sich anzumelden. Auch sei immer die Sorge da, sich anzustecken. Ohne das Treffen mit der Clique, das wäre auch nicht das gleiche gewesen. „Das ist natürlich schade. Aber es ist nun mal so. Wir müssen jetzt das Beste aus der Situation machen“, sagt er. Dann hatte er die Idee mit dem leerstehenden Gartenhäuschen. „Es kam mir eines Tages wie ein Blitz“, erzählt er. Das Ehepaar schaute sich in ihrem Haus um, was ihnen für ihr Glaubensleben wichtig ist. Sie richteten es mit einem Holz-Rosenkranz, den Peter Gruszczynskis Mutter im Krankenhaus beim Sterben mit sich hatte, einer heiligen Florian Figur, die sie zur Silberhochzeit von der freiwilligen Feuerwehr geschenkt bekommen haben, oder eine Herz-Jesu Figur von Klärs Familie ein. Das Holzkreuz an der Wand stammt aus ihrem Schlafzimmer. Fronleichnamsdecken schmücken den Altartisch und die Wand. Manche Kerzen sind Deko-Artikel, die für die besondere Mischung aus Wohnzimmer- und sakraler Atmosphäre sorgen. Stück für Stück ohne Eile, schmückten sie ihre Hofkapelle aus. Von einem Freund bekam Gruszczynskis einen Blecheimer und hängte ihn neben die Tür. „Das ist jetzt mein Weihwasserbecken“, sagt der Rheinhesse und lacht. Für die Weihnachtszeit plant er eine Krippe mit Zeitschaltuhr. Sonntags morgens, wenn in der benachbarten Kirche in Lörzweiler die Glocken läuten, geht das Ehepaar, Peter stützt vorsichtig seine Frau, in ihr Kapellenhäuschen. Es ist für die gehbehinderte Kläre gut zu erreichen. „Wir zünden die Kerzen an, beten dann zusammen und sprechen ein Vater Unser. Das tut uns gut“, erzählt Kläre. Auch unterbricht Gruszczynski hin und wieder im Alltag seine Arbeit und geht in sein Bethaus. „Ich schaue immer mal wieder rein. Hier kann ich abschalten, wenn es viel wird“, sagt er. Der Pfarrer kam und hat die Hofkapelle gesegnet. Das empfindet das Ehepaar als besondere Anerkennung. Sie laden auch Freunde ein, sie zu nutzen. „Ich habe auch schon von anderen gehört, sie machen sich jetzt auch so ein Ding“, berichtet er schmunzelnd. Ihre Eltern hatten dem Ehepaar den Glauben geschenkt. Mit tiefen Gottvertrauen haben sie gemeinsam schwierige Jahre gemeistert, mit dem Gefühl, aufgehoben zu sein. In jungen Jahren kümmerten sie sich um die pflegebedürftigen Eltern und mussten früh den Hof übernehmen, zu dem damals mehr als 300 Tiere zählten. Im Urlaub waren sie noch nie. Vor einigen Jahren erkrankte Kläre schwer und rang mit dem Tod. „Ich habe es irgendwie mit dem Glauben. Ich finde es aber wichtig, nicht nur zu glauben, wenn es einem schlecht geht. Ganz oder gar nicht“, ist Peter Gruszczynski überzeugt. Er ist zufrieden mit seinem Leben. „Mir macht Spaß, was ich tue. Wenn es den Tieren gut geht, wenn die Ziegen Junge bekommen und sind gesund, das macht mich glücklich“; sagt er. Was wird aus dem Gartenhäuschen, wenn Corona mal vorbei sein sollte? „Das bleibt. Das überlebt mich“, ist er sich sicher.

Theresa Breinlich
Liboriusblatt
November 2021