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Glücksmoment mit Eule

Die Tochter hält die Hand ihrer Mutter und streicht sie behutsam über die Federn des Eulenbabys. „Erinnerst du dich? Du hattest doch auch mal Vögel? Du magst Vögel gerne“, sagt sie. Ein Lächeln deutet sich im Gesicht der grauhaarigen Frau im Rollstuhl an. Sie scheint diesen Moment, dieses weiche Gefühl unter ihren Fingern zu genießen. Die Therapie-Eulen der Falknerei Bisterschied sind bei der Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz St. Martha in Mörstadt zu Besuch. Auch die Wohngemeinschaften St. Sebastian aus Abenheim und St. Georg aus Worms-Pfeddersheim sind dazugekommen, um die drei afrikanische Weißgesichtseulenbabys Schleiereulen, Habichtskäuze und das Malayenkauzbaby von Falkner Achim Häfner und seinem Kollegen Michael Hoffmann zu sehen. Er hat in Rockenhausen in der Pfalz die ersten Therapie-Greifvögel Deutschlands ausgebildet. Seit mehr als 20 Jahren tourt der „Falkner der Herzen“, wie er sich nennt, durch Deutschland und besucht Seniorenheime, Palliativstationen, Kinderhospize, Einrichtungen für Menschen mit Behinderung und Kindergärten. Er hat ein Gespür dafür, was den Menschen dort guttut, denn sein Bruder hat eine geistige Behinderung und seine Oma hatte Demenz. „Eulen beruhigen. Diese Erfahrung machen wir immer wieder. Und Schleiereulen kennen viele Senioren aus ihrer Kindheit. Die Begegnung mit ihnen weckt Erinnerungen. Ich habe einmal erlebt, dass ein Mann mit Demenz das erste Mal seit fünf Jahren wieder seinen Namen gesagt hat, als ich ihm die Eule gegeben habe. Diese Tiere faszinieren uns, weil sie eigentlich unnahbar sind“, erzählt Häfner. Die Vögel werden von klein auf ihre Einsätze vorbereitet, indem die Falkner sie nach nur wenigen Wochen mit in die Einrichtungen nehmen und so an verschiedene Menschen gewöhnen.
Die 25 Bewohner von St. Martha kennen das Leben mit Tieren gut. Seit der Gründung vor drei Jahren setzen die Leiterin Tanja Zahn und ihre Mitarbeiter auf tiergestützte Therapie. Daher entschied sie den Falkner einzuladen. Bei der Finanzierung half der Förderverein St. Lioba. Im Garten wohnen Alpakas und Hühner. Ein Aquarium, ein Therapiehund und Wellensittiche gehören auch zum Haus. „Die emotionalen Auswirkungen sind unglaublich. Unsere Mieter füttern die Tiere, fühlen und umsorgen sie. Sie reinigen das Aquarium oder holen die Eier. Tiere urteilen nicht und gehen auf die Menschen zu. Menschen mit Demenz können ganz ohne Vorbehalte mit ihnen Kontakt aufnehmen. All dies aktiviert sie und gibt dem Alltag Struktur“, erklärt die Heimleiterin.
Eine Bewohnerin drückt das Eulenbaby fest an ihr Gesicht. „So etwas liebes. So was Liebenswertes habe ich noch nie erfahren“, schwärmt sie. Jeder der Senioren darf es für einige Minuten bei sich haben. Manche streicheln es, anderen, die scheinbar völlig abwesend auf Sofas gebettet sind, wird die Hand geführt, andere reden mit den Vögeln. „Was ist sie schön. Ich glaube der hat Durst. Magst du was trinken?“, fragt eine Bewohnerin. Andere zeugen keinerlei Regung, wenn ihnen das Tier in die Hand gegeben wird. Was in ihrem Inneren vor sich geht, weiß keiner. Es ist sehr heiß an diesem Tag. Häfner macht immer wieder Scherze und fragt Wissen über Greifvögel ab. Die Stimmung ist gut. Es wird viel gelacht. Das Highlight an diesem Nachmittag ist der Uhu Magda. Er thront auf der Hand des Falkners. Auch ihn dürfen die Bewohner bewundernd über die Federn gehen. Sie freuen sich einfach ihm so nah sein zu können.
Die Erwartung von Heimleiterin Tanja Zahn hat sich wohl erfüllt. „Unsere Mieter leben im Augenblick. Vielleieicht werden sie heute Abend schon vergessen haben, dass die Greifvögel hier waren. Ich verspreche mir aber von der Veranstaltung, dass sie heute einen glücklichen Moment erleben. Jeder Moment zählt hier bei uns.“

Theresa Breinlich
Glaube und Leben
Juni 2023