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Macht der Roboter bald Hausaufgaben?

Chance oder Gefahr? Seit Anfang des Jahres ist die neue Software ChatGPT frei erhältlich, ein Computerprogramm, das zu jedem gewünschten Thema Informationen suchen und einen Text erstellen kann, einen Aufsatz, ein Gedicht oder ein Referat. Ist der Gebrauch dieser ersten für jeden zugänglichen Künstlichen Intelligenz der Traum eines jeden Schülers und der Albtraum der Lehrer? Die Schulleiter in der Region bleiben gelassen.
„Wir sollten keine Angst haben, sondern sehenden Auges, die Herausforderung angehen und unseren Bildungsauftrag erfüllen“, meint Frank Zinecker, stellvertretender Schulleiter des Gymnasiums Nackenheim. Die Lehrer versuchten schon seit einigen Jahren Neue Medien in den Unterricht zu integrieren. Seit 2021/2022 verfügt jeder Schüler ab der fünften Klasse über ein eigenes I-Pad, das vom Landkreis geliehen ist. Der verantwortungsvolle Umgang mit dem Hilfsmittel sei stets Thema im Unterricht. Die Lehrer und Lehrerinnen erörtern, was die Systeme können und was nicht. Jetzt möchten sie den Schülern einen „produktiven Umgang“ mit dem neuen Programm aufzeigen. „Wir müssen den Schülern Leitplanken an die Hand geben, wie sie das neue Hilfsmittel am besten nutzen. Möglichkeiten, Abkürzungen zu nehmen gab es schon immer. Mit ChatGPT hat das Hilfsmittel zwar ein höheres Niveau. Eins bleibt aber wichtig. Die Schüler müssen erkennen, dass es für sie notwendig ist, ein Thema selbst zu durchdringen. Sie sollen nicht Ergebnisse produzieren, sondern ihr Denken schulen“, meint der Lehrer für Geschichte, Philosophie, Ethik und Neue Medien. Dennoch ist er sich sicher, dass es zu gravierenden Veränderungen kommen wird, wie wir schreiben, strukturieren und recherchieren. Mit seinen Schülern möchte er sich mit diesen Auswirkungen auseinandersetzen. Als Ethiklehrer findet Zinecker es auch spannend sich mit ihnen mit den ethischen Fragen zur Künstlichen Intelligenz zu beschäftigen.
Auch Jürgen Winzer von der Integrierten Gesamtschule Nieder-Olm macht das Roboter-Programm nicht nervös. Es sei kein neues Thema, dass Schüler unerlaubte Hilfsmittel nutzen. Schon vor ChatGPT sei es vorgekommen, dass Eltern, Geschwister oder Studierende Hausaufgaben oder Facharbeiten geschrieben haben. Solch einen Betrug zu erkennen, sei immer schon Aufgabe der Lehrer und Lehrerinnen gewesen. Bei Benotungen müssten sie nun auch die Künstliche Intelligenz mit im Blick haben. „Wir wollen die App nicht verteufeln. Wir nutzen sie im Unterricht und wollen, dass die Schüler und Schülerinnen ein Bewusstsein für den sinnvollen Umgang mit Künstlicher Intelligenz bekommen. Wie kann sie Arbeitsprozesse erleichtern? Wie kann sie mir zu einem Wissenszuwachs verhelfen? Wie kann ich ihre Antworten auf Richtigkeit überprüfen? Sie wird nicht alle Arbeitsschritte ersetzen können“, meint Winzer. In einem ist er sich sicher: Lehrer und Lehrerinnen, Schüler und Schülerinnen werden sich mit den neuen Programmen auseinandersetzen müssen, denn sie werden im Arbeitsleben in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.
Die Lehrer und Lehrerinnen im Gymnasium zu St. Katharinen in Oppenheim berichten von lebhaften Diskussionen mit Schülern, Schülerinnen und Eltern. Schulleiter Hendrik Förster mahnt, der neuen Technik nicht mit Angst zu begegnen. Die Lehrer und Lehrerinnen erarbeiteten mit den Schülern und Schülerinnen Möglichkeiten, das neue Hilfsmittel sinnvoll einzusetzen. Sie hätten ChatGPT im Unterricht ausprobiert. Die von der Künstlichen Intelligenz erzeugten Texte seien interessant gewesen, von hoher Qualität, aber auch in Teilen fehlerhaft oder sogar falsch. Bei der Benotung gebe es keine Schwierigkeiten, da Hausaufgaben ohnehin nicht bewertet würden, wenn nicht sichergestellt werden kann, dass der Schüler oder die Schülerin sie selbstständig erledigt hätten. Die Lehrer und Lehrerinnen würden sie gut genug kennen, um zu bemerken, wenn Eltern, Geschwister oder eine App geholfen hätten einen Hausaufsatz zu schreiben. Leistungsfeststellungen- und bewertungen würden in Zukunft dennoch vermehrt ohne Hilfsmittel und unter Aufsicht erbracht.
Im Sebastian-Münster-Gymnasium in Ingelheim möchte Schulleiter Michael Frings noch die weitere Entwicklung abwarten, bevor er die neue App beurteilt. Erste Lehrer und Lehrerinnen würden sich allergings bereits fortbilden, wie sie das neue Programm im Unterricht einsetzen können. Sicher sei, dass Hausaufgaben in Zukunft ein besonderes Augenmerk erforderten.

Theresa Breinlich
Allgemeine Zeitung
März 2023