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Traumberuf Bestatterin

Wenn Felicitas Schnersch die Urne in die Erde lässt, ihr den Menschen übergibt, erinnert sie sich an ihre Zeit als Ministrantin. Dieser Moment, der einzigartig, für den Körper endgültig ist, bannt sie. Sie horcht auf die besinnliche Ruhe und denkt daran, wie sie vor einigen Jahren das Kreuz getragen und die Trauergemeinde zum Grab geleitet hat. Eine bedeutende, verantwortungsvolle Aufgabe. Die 21-Jährige ist im zweiten Ausbildungsjahr zur Bestattungsfachkraft, einem Beruf von dem ihre Bekannten sagen: „Das könnte ich nicht.“ Ein Beruf, der bis vor einigen Jahren fast ausschließlich ein Männerberuf war. Doch Felicitas Schnersch schreckt der Umgang mit dem Tod nicht. Vielmehr ging für sie mit dem Vertrag beim Bestattungsunternehmen in Wiesbaden ein Traum in Erfüllung, ein mittelgroßer Betrieb mit zehn Mitarbeitern. Schon als Kind hatte sie mit ihrer Familie im Urlaub oft Friedhöfe besucht. Die stille Atmosphäre empfand sie als etwas Schönes. Und in den neun Jahren als Ministrantin in ihrer Heimatgemeinde St. Franziskus Nieder-Olm, Sörgenloch, Zornheim hat die Rheinhessin erfahren, dass Sterben etwas Normales ist. Ihre Freunde haben sich für Hochzeiten oder Taufen gemeldet. Sie hat sich für Beerdigungen einteilen lassen. „Das war weniger laut und intensiver. Das gefiel mir. Ich konnte immer gut damit umgehen“, sagt sie. Das Gespräch findet im Abschiedsraum statt, ein in warmen Gelb- und Goldtönen gehaltenen Zimmer, in dessen Mitte ein kühlbarer Tisch bereitsteht. Hier können sich Angehörige Zeit nehmen zum Loslassen. Nach dem Abitur hat die Rheinhessin zunächst eine Hauswirtschaftsschule besucht und ein FSJ in einem katholischen Gemeindezentrum absolviert. Die Arbeit im sozialen Bereich, der Kontakt zu Menschen, hat ihr Spaß gemacht. Es war aber nach einem Praktikum bei einem Bestattungsinstitut, dass sie dachte: „Das möchte ich in meinem Leben machen!“ Die Ausbildung zur Bestattungsfachkraft wird erst seit 2003 angeboten, besteht aus einem schulischen sowie praktischen Teil und dauert drei Jahre. Der Frauenanteil liegt etwa bei 50 Prozent. „Es stimmt schon. Man braucht viel Kraft, physische und psychische. Wenn ich allerdings einen Verstorbenen alleine abholen muss und der Sarg ist zu schwer für mich, dann hilft mir meistens jemand“, sagt sie. Ohne ihren christlichen Glauben könnte Felicitas Schnersch ihre tägliche Arbeit vielleicht nicht so gut machen. „Diese Riesenhoffnung, dass es nach dem Tod weitergeht, ist mir eine Stütze. Bei den Angehörigen mag das anders sein. Das ist auch ok“, sagt sie. Das Gebot der Nächstenliebe ist ihre Motivation: „Ich wollte gerne Menschen helfen und dachte, wie kann ich ihnen mehr helfen, als wenn ich sie begleite, wenn sie selbst nichts mehr für sich tun können. Es hat auch etwas Schönes, wenn sich Angehörige für eine tröstende Trauerfeier bedanken. Aus etwas Schwerem etwas Schönes machen, das ist mein Antrieb“, sagt sie. Gerade jetzt während der Corona-Beschränkungen, wenn vieles nicht erlaubt ist, wird deutlich, wie wichtig die Aufgaben des Bestattungsinstituts sind. Angehörige von Corona-Toten dürfen sich nicht mehr am offenen Sarg verabschieden. Die Teilnehmerzahl bei Trauerfeiern ist festgelegt. Das gemeinsame Kaffeetrinken fällt aus. „Diese Veränderungen erschweren die Trauerarbeit. Das merken wir“, hat Felicitas festgestellt. Zweifel und auch die Frage „Warum, musste das jetzt passieren“, seien ihr noch nicht gekommen. „Das mag vielleicht auch daran liegen, dass ich bisher noch keine wirklich schlimmen Fälle gesehen habe. Wir haben keinen Kontakt zur Kriminalpolizei. Bei einem Suizid oder Verbrechen würde ich vielleicht schon mit Gott hadern“, gibt sie zu. Überhaupt würde sie selten traurig nach Hause gehen. Wenn sie doch etwas belaste, wären jederzeit ihre Kollegen bereit, mit ihr zu reden. „Wir tragen oft Schwarz und die Atmosphäre ist eher ruhig, aber ganz ehrlich, wir lachen auch viel. Es ist wichtig, sensibel aber nicht emotional zu sein“, sagt sie. Auch wenn die junge Frau von der Arbeit abschalten kann, ändert ihr Beruf mit dem Tod, ihre Sicht auf das Leben. „Ich denke nicht jeden Tag, dass ich sterben könnte. Es ist aber schon so, dass ich manches auch einfach mal nicht tue, was nicht wichtig ist“, sagt sie. Die angehende Bestatterin geht gerne zur Arbeit, weil ihre Aufgaben sehr vielfältig sind. Sie kümmert sich um Büroarbeit, Dekoration und Organisation genauso wie um die handwerkliche Bearbeitung eines Sarges. Wenn sie ihre Ausbildung beendet hat, wird sie wahrscheinlich übernommen. Darauf freut sie sich sehr. Sie ist stolz, dass ihr viel Vertrauen entgegenbracht wird und sie Verantwortung tragen kann: „Wir Kollegen müssen uns zu einhundert Prozent aufeinander verlassen können. Eine Trauerfeier ist ein einmaliges Ereignis. Da darf nichts schief gehen“, sagt sie.

Theresa Breinlich
Bistumspresse
Juli 2021