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Was bringt die Digitale Kirche?

Wer möchte, kann sonntags die Eucharistiefeier in St. Bartholomäus in Oppenheim von jedem Teil der Erde aus im Live-Stream verfolgen, auf dem Smartphone, Tablet oder Smart-TV. Präsenzgottesdienste finden seit dem Sommer wieder uneingeschränkt statt. Dennoch hat das Projektteam „Live-Stream“ seinen Einsatz nicht beendet. „Solange auch nur ein Mensch zuschaut, mache ich weiter. Ich möchte den Gläubigen eine Freude machen“, meint Markus Huf. Und Hans Eckert findet: „Wir haben zu viel investiert, um einfach mit der Übertragung aufzuhören.“ Das Team, zu dem auch die Oppenheimer Andreas Artiaga Hahn und Bernhard Fuchs gehören, hat sich in der Corona-Pandemie zusammengefunden. Pfarrer Johannes Kleene hat 2020 erstmals den Palmsonntagsgottesdienst live für das Internet gefilmt. Mit den vier Gemeindemitgliedern fand er schnell Unterstützung. Die Finanzierung des Equipments, mehr als 18 000 Euro, erfolgte zum Großteil über Spenden. Im Kirchraum ist eine Kamera fest installiert, der Ton auf die besondere Akustik in der Kirche eingestellt. Der Datenschutz wird beachtet. 15 bis 30 Interessierte klicken die Videos sonntags an. Nach zwei Wochen sind es etwa 150 Abrufe. Die beiden Team-Mitglieder sehen das digitale Angebot nicht als Konkurrenz zum Präsenzgottesdienst. Die Zahl der Gottesdienstteilnehmer sei nach der Pandemie nicht wesentlich zurückgegangen. „Gemeinde ist mehr als der Gottesdienst. Der Plausch hinterher gehört dazu. Und einen Gottesdienst macht auch das Soziale aus, wie das Zunicken zum Freund oder auch der Friedensgruß. Daher sollte es immer beides geben, ein Online-Angebot und den Präsenzgottesdienst“, meint Huf. Eckert stimmt ihm zu: „Die Aufgabe wird zukünftig sein, das Online-Angebot in die Gemeindearbeit zu integrieren, es als Ergänzung zu sehen. Für viele Menschen ist es sehr wertvoll.“ Sie wissen, dass Bewohner im Altenzentrum der Stadt in ihren Zimmern oder auch in den Wohngruppen mit anderen zusammen zuschauen. Auch ältere Gemeindemitglieder, die in der Mobilität eingeschränkt sind, schalten ein. Für Verwandte in Spanien oder Portugal hat der Live-Stream den Vorteil, dass sie die Erstkommunion oder Firmung ihrer Angehörigen auf dem Bildschirm sehen können. Auch würden sich viele von außerhalb Oppenheims die Predigten der beiden Pfarrer Kleene und Thomas Catta anhören. Eckert denkt weiter in die Zukunft: „Ich weiß, das ist theologisch glitschiges Terrain, aber wäre es nicht möglich angesichts des Priestermangels in Kirchen eine Art Public Viewing zu veranstalten? Der Pfarrer feiert die Eucharistiefeier in einer Kirche und die Menschen versammeln sich an einem anderen Ort und sehen ihn auf dem Bildschirm?“, fragt sich der promovierte Informatiker. Damit ein digitales Angebot funktioniert, müsse die Qualität in Bild und Ton stimmen. „Wenn die Technik schlecht ist, verprellen wir die Leute“, meint er. Eckert und Huf sind überzeugt, dass eine Bindung an Glauben und Kirche nur über erlebte Gemeinschaft funktioniert. Dennoch könnten digitale Medien einen Beitrag bei der Verkündigung leisten. In der Pandemie bot die Pfarrgruppe Glaubenskurse online an. Bei diesen „Alpha-Kursen“ schalteten sich Interessierte aus ganz Deutschland zu. „Hier waren wir nicht auf die Region beschränkt. Und die Hemmschwelle war niedriger. Ich denke, hier haben wir Leute erreicht, die einfach mal reinschnuppern wollten. Bei einer Präsenzveranstaltung muss man doch mehr von sich preisgeben“, meint Huf.

Theresa Breinlich
Glaube und Leben
Januar 2023