Felix Meiborg lässt sich jeden Morgen von einem geistlichen Impuls aus dem Radio wecken. So gestärkt startet er in den Tag und macht sich fertig für seine Arbeit in der Rheinhessen-Werkstatt für Menschen mit Behinderung in Wörrstadt und der Verwaltung der Verbandsgemeinde Wörrstadt. Ein Auto holt ihn ab. Das Leben des 30-Jährigen wird geprägt von einer Zerebralparese, einer Spastik. Sie bestimmt, was er machen kann und was nicht, wo er Hilfe braucht, bei vielen Aufgaben des täglichen Lebens, und wo nicht. Bei all den Herausforderungen lässt sich Felix Meiborg vom Glauben tragen. „Ich habe den christlichen Glauben von meiner Familie gelernt. Meine Eltern haben es vorgelebt“, sagt er und dreht sich mit dem Rollstuhl, um etwas zu trinken. Er redet langsam. Denkt viel nach, um eine gute Antwort zu geben. Felix Meiborg lebt zusammen mit seinen Eltern in Saulheim in Rheinhessen. Sie bieten ihm die Unterstützung, die er braucht. Sie leben den Alltag zusammen. Der Rheinhesse ist ein großer Radio-Fan. Besonders gerne hört er die Moderatoren Michael Lueg von SWR1 und Anno Wilhelm von SWR3. Auf seine Autogrammkarten-Sammlung ist er besonders stolz. Er nimmt eine Metalldose von einem Stapel und zeigt Gesichter mit filzstiftdicken Unterschriften vom SWR, Hit Radio FFH oder HR3. „Die habe ich telefonisch bestellt“, erklärt er. Und er malt gerne. Mehrere Ordner sind voll mit farbigen Bildern, die er mit dicken Wachsmalstiften gestaltet hat. Sie stimmen fröhlich. „Ich male keine Motive, sondern frei aus meinem Kopf. Rot ist meine Lieblingsfarbe“, erklärt er. Außerdem verreist er gerne mit seinen Eltern. Alle zwei Wochen besucht Felix Meiborg in der Pfarrei St. Franziskus in Nieder-Olm den PowerClub für Menschen mit Behinderung. Hier trifft er Bekannte, sie spielen zusammen und tauschen sich aus. Er kennt noch einige Kameraden aus der Schulzeit. Es macht ihn aber traurig, dass es sehr schwierig für ihn ist, neue Freunde zu finden. Wie vieles andere auch. Seine Träume, ganz normale Träume junger Menschen, als Flugbegleiter arbeiten, um die Welt fliegen, oder eine Radio-Sendung moderieren, sind für ihn unerfüllbar. „Ich bin manchmal genervt. Aber es ist, wie es ist. Ich mache das beste draus. Mir ist wichtig, mit Freunden viele schöne Sachen zu erleben. Ich habe immer das Gefühl, Gott hilft mir. Ich kann mir Gott schwer vorstellen, aber glaube ganz fest, dass er da ist“, sagt er. Gott in irgendeiner Weise verantwortlich zu machen für seine Situation steht für ihn außer Frage. Vielmehr ist er sich sicher einen Schutzengel an seiner Seite zu haben, der aufpasst. Er betet zusammen mit seinen Eltern. Vor den Mahlzeiten etwa. Oder sie holen Gebetskarten in einfacher Sprache aus der Schublade, die sie sich gegenseitig vorlesen. Sie bitten für die Familie, Freunde oder danken, dass sie sich haben. Der Saulheimer redet täglich auch mit Gott über sich und die Menschen, die ihm wichtig sind, denkt daran, was gut gelaufen ist und was weniger gut gelaufen ist am Tag. „Manchmal, wenn ich Angst hatte, habe ich zu Gott gesprochen und dann ging es mir besser“, erzählt Meiborg. Gemeinsam gehen sie im Ort in den katholischen Gottesdienst. Die Kirche ist barrierefrei. Hier fühlen sie sich gut angenommen. Als die Gottesdienste wegen der Pandemie ausgefallen sind, hat Felix Meiborg sie sich im Fernsehen angeschaut. Er mag die Musik und die Gemeinschaft, dass sie dort Bekannte treffen. Gerne geht er in die Familiengottesdienste, wenn es turbulenter zugeht. „Ich höre auch gerne der Predigt zu. Leider verstehe ich sie oft nicht gut. Ich weiß aber, dass es schwer ist, Dinge einfach auszudrücken, ohne, dass Inhalte verloren gehen“, findet er. Hin und wieder schaut er in die Bibel. Auf seinem Bett liegen Zeitschriften in einfacher Sprache mit kirchlichen Themen. „Leider habe ich zu wenig Zeit, das alles zu lesen“, meint er und lacht. Damit geht es ihm wahrscheinlich wie den meisten seiner Mitchristen.
Seit 14 Jahren treffen sich alle zwei Wochen 45 Menschen mit den unterschiedlichsten Beeinträchtigungen von zwölf bis 60 Jahren in Nieder-Olm in der Pfarrei St. Franziskus. Sie kickern, hören Musik, basteln, kochen oder backen zusammen. Sie sind der Power Club, ein Name, den sie sich selbst gegeben haben. Mit dabei sind acht ehrenamtliche Betreuer. Einzige Voraussetzung ist Offenheit und Empathie. Mindestens einmal im Jahr machen sie zusammen einen Ausflug , etwa zur Polizei oder zum Training von Mainz 05. Highlights sind, wenn sie zusammen Pizza oder Eis essen gehen. Während der Corona-Pandemie fanden Online-Treffen statt, um den Kontakt untereinander zu halten. Seit April starten sie wieder in Präsenz. Der Powerclub nutzt nicht nur die Räumlichkeiten, sondern ist Teil der Pfarrgemeinde. „Ich für meinen Teil kann nur sagen, dass es eine besondere und tolle Aufgabe ist, sich im Powerclub zu engagieren – man bekommt mindestens so viel zurück, wie man gibt“, meint eine der Leiterinnen Andrea Keber.
Theresa Breinlich
Bistumspresse
Juni 2022